Die Philosophie der Menschenrechte stammt aus der Aufklärung. Im 17.Jahrhundert hat Europa die Religion definitiv der staatlichen Ordnung unterstellt. Auslöser dafür waren die Religionskriege gewesen, die dazu führten, dass man den religiös oder moralisch begründeten Krieg – den «gerechten» Krieg – im westfälischen Frieden von 1648 definitiv verbot. Die Religion wurde dadurch keineswegs abgeschafft, aber sie sollte nicht mehr selber die «öffentliche Ordnung» darstellen. Zum ersten mal läuft nun heute ein Teil der sogenannt «zivilisierten» Welt Gefahr, öffentlich wahrnehmbar hinter die damalige Errungenschaft zurückzufallen. Die Vereinigten Staaten bezeichnen ihre – in Zusammenarbeit mit allen anderen Ländern äusserst notwendige – Bekämpfung des Terrorismus als «Krieg» , und sie stellen diesen Krieg wie auch den geplanten gegen den Irak unter das moralische Motto «Kampf des Guten gegen das Böse» . Von dieser Gefahr ist auch die Philosophie der Menschenrechte betroffen.
Die Menschenrechte wurden genau in jenem Moment erfunden, als man sich darauf einigte, dass Recht und Moral getrennt werden müssten. Dies geschah in Europa zur selben Zeit im 17.Jahrhundert. Es wurde formuliert, welche Handlungen verboten und unter Strafe gestellt waren, aber auch der Straftäter sollte seine Würde haben, er sollte nicht mehr als moralisch verwerflich gelten, sondern nur noch als rechtlich strafbar. Die Menschrechte wurden letztlich gerade zugunsten der verachteten, geschundenen Menschen erfunden, zugunsten jener also, von denen es gar nicht klar war, ob sie nun eigentlich auch «Menschen» seien oder nicht. Recht unbefangen wurde jedoch in den Vereinigten Staaten nach dem 11.September 2001 diskutiert, ob das Folterverbot auch für mutmassliche Terroristen gelte. Das US-amerikanische Nationalgefühl war zutiefst getroffen, und weil die Vereinigten Staaten ein tiefes, auch religiös begründetes Sendungsbewusstsein haben, das «Gute» in die Welt hinaustragen zu müssen, erachteten sie das in ihrer Nation verkörperte «Gute» als so bedroht, dass alle anderen, universell geltenden Werte daneben zurücktraten. «Wir» und «die Andern» hies nun das Stichwort, und das bedeutet immer «wir, die Guten» , und «die Andern, die Bösen» .
Solange wir die Kategorien von «gut» und «böse» nicht hinter uns lassen können, gibt es keine Menschenrechte. Denn jede Eigenschaft, auf welche wir andere Menschen reduzieren, um die Einteilung in «gut» und «böse» anwenden zu können, bringt immer auch religiöse Grundkategorien zum Ausdruck. Ein «Krieg gegen das Böse» ist immer auch «heiliger» Krieg, er zerstört jene Denkmuster, die rational sind und die allein die Menschenrechte grantieren können. So wichtig die Vereinigten Staaten in der Geschichte des Erringens von Freiheiten gewesen sein mögen: Heute geht eine Gefahr für die Menschenrecht nicht nur von den vielfältigen Diktaturen aus, die es auf dieser Welt imme noch gibt, sondern die aus dem Kalten Krieg allein übrig gebliebene Weltmacht ist selber zu einer Bedrohung der Menschenrechte geworden, und dies nicht wegen ihrer imperialen Machtballung, sondern wegen ihrem religiös begründeten Denken in den moralischen Kategorien von «gut» und «böse» . Terroristen haben Menschenrechte. Wenn Terroristen keine Menschenrechte mehr haben, so ist dies der Anfang vom Ende der Philosophie der Menschenrechte.